6. Mai 2024 / Weltnews

Falsche Atteste gegen Maskenpflicht? - Arzt vor Gericht

Panikattacke oder Asthma - mit solchen Diagnosen soll ein Hamburger Arzt seine Patienten in der Corona-Zeit vor der Maskenpflicht bewahrt haben. Nun muss sich der 80-Jährige vor Gericht verantworten.

Der 80-jährige Arzt zum Auftakt seines Prozesses im Gerichtssaal in Hamburg.

Unter großem öffentlichem Interesse hat in Hamburg ein Prozess um mutmaßlich falsche Gesundheitszeugnisse in der Corona-Pandemie begonnen. Die Staatsanwaltschaft wirft einem Arzt für Innere Medizin vor, zwischen April 2020 und September 2021 in 57 Fällen falsche Atteste zur Befreiung von der Maskenpflicht ausgestellt zu haben. Der 80-jährige Beschuldigte wollte sich am Montag vor der Großen Strafkammer am Landgericht nicht zu den Vorwürfen äußern.

Diagnose «CO2-Vergiftung» und «Panikattacken»

Laut Anklage soll er die für die Gesundheitszeugnisse erforderlichen Untersuchungen bei den Patienten nicht gemacht haben. Diagnosen wie «Symptome einer CO2-Vergiftung», «Panikattacken» oder «Asthma bronchiale» soll er teilweise ohne Begründung notiert haben. In einem Fall habe er es unterlassen, eine Patientin durch einen Facharzt für Psychiatrie untersuchen zu lassen. Der Angeklagte habe die Diagnosen in seiner privatärztlichen Praxis in Hamburg und als Leiter der Initiative «Ärzte für Aufklärung» gestellt, hieß es.

Die Initiative war in der Corona-Zeit wegen ihrer Kritik an den Schutzmaßnahmen und Warnungen vor einer Zwangsimpfung in Medien scharf angegriffen worden. Die Hamburger Ärztekammer hatte sich von der Initiative distanziert.

Verteidiger rügen Besetzung der Strafkammer

Die beiden Verteidiger hatten vergeblich versucht, die Verlesung der Anklage zu verhindern. Zur Begründung erklärte Anwalt Ivan Künnemann, dass die Große Strafkammer nicht ordnungsgemäß besetzt worden sei. Über ihre Rüge soll in Kürze das Hanseatische Oberlandesgericht entscheiden.

In einer Pressemitteilung erklärten die Verteidiger, die damaligen Corona-Eindämmungsverordnungen des Hamburger Senats hätten grundsätzlich jede Person mit einer gesundheitlichen Beeinträchtigung oder Behinderung von der Maskenpflicht befreit. Es sei nicht geregelt worden, wer solche Beeinträchtigungen bescheinigen dürfe. 

Dass Ärzte ihren Patienten Bescheinigungen ausstellten, ohne sie in ihrer Praxis untersucht zu haben, sei in der Corona-Pandemie nichts Ungewöhnliches gewesen. Die Verteidiger verwiesen auf die damals übliche telefonische Krankschreibung.

Nach der Verhandlung sagte der Angeklagte vor Pressevertretern: «Ich habe mir nichts vorzuwerfen. Ich habe mich an die Gesetze und die Berufsordnung gehalten.» Ärzte, die unrichtige Gesundheitszeugnisse ausstellen, können zu einer Geldstrafe oder bis zu zwei Jahren Haft verurteilt werden.

Viele Zuschauer und Gerichtstermine

Rund 100 Zuschauer drängten in den Gerichtssaal, aber nicht alle fanden Platz. Das Gericht hat vorerst 18 weitere Termine bis Ende September angesetzt. Grund für die erwartete lange Verfahrensdauer ist die große Anzahl von Zeugen. Sofern die Patienten des Arztes schon selbst rechtskräftig verurteilt sind, haben sie kein Aussageverweigerungsrecht und müssen vor Gericht Rede und Antwort stehen. Ein Verständigungsgespräch vor Beginn der Hauptverhandlung scheiterte. Die Verteidigung habe Freispruch gefordert, die Staatsanwaltschaft habe jedoch auf Aufklärung der Vorwürfe bestanden, berichtete Behr.


Bildnachweis: © Markus Scholz/dpa pool/dpa
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