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Wenn Klaus Sames' Leben zu Ende geht, steht für ihn eins fest: «Ich will nicht zur Leiche werden», sagt der 85-Jährige. Verhindern soll das Kryonik: Dabei wird Sames' Blut durch ein medizinisches Frostschutzmittel ersetzt und sein Körper mit flüssigem Stickstoff bei -196 Grad Celsius gekühlt. Kryokonservierung nennt sich dieses Verfahren. In einer fernen Zukunft will sich Sames wieder auftauen lassen - dann, wenn tödliche Krankheiten heilbar sein könnten und das Altern rückgängig gemacht werden könnte. Doch Kritiker glauben nicht, dass das jemals gelingen wird.Sames gilt in Deutschland als einer der Kryonik-Pioniere. Eigentlich ist er Gerontologe, nach seinem Ruhestand forschte und lebte er lange Zeit in der Nähe von Ulm. Inzwischen ist er ins nordbayerischen Hersbruck umgezogen. Mit seiner Forschung habe er früher dazu beitragen wollen, das Altern abzuschaffen, erzählt er. Das sei ihm aber nicht gelungen. Deshalb setzt er nun auf Kryonik - auch Biostase genannt - und sieht darin eine konsequente Fortsetzung seiner Arbeit. «Medizin ist Lebenserhaltung, und wir erweitern einfach die Möglichkeiten.»Kritiker sprechen von falscher Einstellung zum LebenBei Spermien, Eizellen und Embryonen wird die Kryokonservierung schon länger verwendet. Dass das auch bei Organen und ganzen Körpern funktioniert, hält Stefan Schlatt, Professor für Reproduktionsmedizin an der Universität Münster, für unrealistisch, weil deren Komplexität zu hoch sei. «Wir werden immer besser im Einfrieren, aber es wird kein Zaubermittel geben.»Für erstrebenswert hält er es erst recht nicht: «Das ist eine falsche Einstellung zum Leben.» Jedes Lebewesen habe eine innere Uhr, die mit der Geschlechtsreife zu ticken beginne. «Für die Evolution ist es extrem wichtig, dass Lebewesen sterben und Platz für die nächste Generation machen.»Ewiges Leben - davon träumen Menschen seit jeher. Zahlreiche Science-Fiction-Romane und -Filme drehen sich darum, dass Menschen viele Jahrzehnte oder Jahrhunderte im Kälteschlaf verbringen und dann wieder geweckt werden. Als die Kryokonservierung in den 1960er-Jahren aufgekommen sei, sei sie selbst eine Art Science-Fiction gewesen, sagt Sames. «Jetzt ist man ja doch ein ganzes Stück weiter gekommen.» Trotzdem: «Es funktioniert noch nicht», gibt er zu.Der Jungbrunnen als VersprechenWas treibt Menschen wie ihn also an? «Kryonik verspricht im Prinzip den Jungbrunnen», sagt der Mediziner Eckhard Nagel von der Universität Bayreuth. «Das ist praktisch eine Kompensation der Angst vor dem Sterben und ist Ausdruck der Unfähigkeit, sich mit der eigenen Endlichkeit auseinanderzusetzen.» Die Vorstellung sei jedoch absurd, sagt Nagel. «Selbst wenn man die Todesursache eines Menschen in Zukunft behandeln könnte und es tatsächlich gelingen sollte, einem mit Frostschutzmittel gefluteten Körper eine Funktion abzuringen, würde man meist doch nur einen verlebten Körper am Ende seiner natürlichen Existenz zu einem Leben ohne Perspektive erwecken.»Sames sieht dennoch keine Alternative: «Tod oder Kryonik», sagt er. Die Chance, in einer fernen Zukunft ein neues Leben zu bekommen, lässt er sich einiges kosten. 28.000 US-Dollar zahlt er an das Cryonics Institute in den USA, damit sein Körper dort kopfüber hängend in einem Kühltank aufbewahrt wird.250 Menschen werden nach Angaben des Instituts bereits so gelagert, fast 2000 weitere haben Verträge wie Sames. Der andere große US-Anbieter Alcor kommt auf ähnliche Zahlen, nimmt aber 200.000 US-Dollar. Beide wurden in den 1970er Jahren gegründet und bezeichnen sich als Non-Profit-Organisationen.Auch viele junge Leute setzen auf KryonikMan könnte das Ganze als kuriose Idee älterer Menschen abtun, die sich am Lebensende vor dem Tod fürchten. Doch auch viele junge Menschen beschäftigt die Fragen, was kommt danach und muss das Leben wirklich irgendwann enden? Vor zwei Jahren hat der Mediziner Emil Kendziorra in Berlin das Start-up Tomorrow Bio gegründet, das Kryokonservierung in Europa anbietet. 400 bis 500 Menschen haben inzwischen seinen Angaben zufolge einen Vertrag, darunter er selbst. Der Großteil davon sei zwischen 30 und 50 Jahre alt, sagt der 38-Jährige.Mehrere Krankenwagen hat das Unternehmen zu mobilen Behandlungsräumen umgebaut. Idealerweise sei das Team schon vor Ort, kurz bevor jemand sterbe, sagt Kendziorra. Sobald die Kundin oder der Kunde für klinisch tot erklärt sei, könne die Kryokonservierung beginnen. Aufbewahrt würden sie in einer Einrichtung in der Schweiz. 200.000 Euro kostet das Ganze - wobei mit 120.000 Euro der Großteil an eine Stiftung gehe, die das Geld anlege, um die Lagerung der Körper auf unbestimmte Zeit zu finanzieren, erläutert Kendziorra.Den Bayreuther Mediziner Nagel erinnert das an den Ablasshandel im Mittelalter. Dieser habe die Uninformiertheit und die grundlegende Angst der Menschen vor dem ewigen Schmoren in der Hölle ausgenutzt, um diese zur Kasse zu bitten. «Genauso tut das die Kryonik heute auch. Das hat an Aktualität offensichtlich nichts verloren, an Verwerflichkeit auch nicht.»Auch Reproduktionsmediziner Schlatt findet das aus ethischer Sicht bedenklich: «Das ist eine unfassbar ekelige Geschäftemacherei mit Hoffnung auf etwas, was es nie geben wird.»Eine Wette auf zukünftige Techniken?Das weist Kendziorra zurück. «Geld verdienen könnte ich woanders besser.» Ziel des Unternehmens sei es, Kryokonservierung günstiger zu machen - und das werde sie auch, wenn sich mehr Menschen dafür entschieden. Er bestätigt aber, dass das Ganze mit Unsicherheiten behaftet ist: «Man wettet ein Stück weit auf zukünftige Techniken.» Auch er sehe noch viele offene Fragen und Probleme. Darüber kläre er alle Kundinnen und Kunden auf. «Ich möchte nicht, dass sich jemand für Kryokonservierung entscheidet, dem das nicht bewusst ist.»Hoffnungen machen Sames und Kenzdiorra Fortschritte bei der Nanotechnologie. Dennoch sei noch viel Forschung nötig, meint Sames. Ein großes Hindernis sei die Erwärmung des Körpers nach dem Kälteschlaf, ohne dass er dabei Schaden nehme. Aussichtsreiche Methoden seien in der Entwicklung.Bleibt ein Hauptproblem: Methoden, um das Altern und damit einhergehende krankhafte Veränderungen rückgängig zu machen. 200 Jahre werde das sicherlich noch dauern, bis die Medizin so weit sei, meint Sames. «Die müssen wir abwarten.»Bildnachweis: © Monika Skolimowska/dpaCopyright 2024, dpa (www.dpa.de). Alle Rechte vorbehalten