13. April 2022 / Weltnews

Rinder qualvoll verendet - Bewährungsstrafe für Landwirt

Ein Landwirt lässt seine Rinder im Stall qualvoll sterben. Aus Überforderung gibt er ihnen nicht genug Futter und Wasser, heißt es im Prozess. Wie konnte es dazu kommen?

Der angeklagte Landwirt wartet im Sitzungssaal im Amtsgericht Ansbach auf den Prozessbeginn.

Es war ein grauenvoller Anblick, der sich den Polizisten und der Polizistin im Stall bot: Überall lagen tote Rinder auf dem Boden, manche davon schon bis auf die Knochen verwest.

Dazwischen standen noch einige stark abgemagerte Kühe. Das Amtsgericht Ansbach verurteilte einen 44-jährigen Landwirt deshalb am Mittwoch wegen tödlicher Vernachlässigung seiner Mastkühe zu einer Bewährungsstrafe von eineinhalb Jahren und zu einem lebenslangen Tierhaltungsverbot.

Erschütternde Missstände

Selbst die Expertin vom Veterinäramt, die schon viel gesehen hat, wirkt im Gericht bei ihrem Auftritt erschüttert von den Missständen. Das Sterben müsse sich über Monate hingezogen haben, sagt Birgit Badewitz. «Die Tiere waren in unterschiedlichem Verwesungszustand.» Manche der Knochen seien sicherlich ein Jahr alt gewesen. 

Fünf Lastwagenladungen lässt die Behörde nach der Entdeckung im Mai 2021 von dem Hof im bayerischen Landkreis Ansbach abtransportieren. 160 Tiere sind dort qualvoll zugrunde gegangen, weil ihr Besitzer diese über längere Zeit nicht ordentlich mit Wasser und Futter versorgt hatte. Weitere sind in einem so erbärmlichen Zustand, dass ein Tierarzt sie einschläfern muss.

«Es war ein ganz langer, schleichender Prozess», sagt Richter Armin Abendschein. Der Angeklagte habe sich nach der Übernahme des Betriebes von seinem Vater immer mehr aufgebürdet. Irgendwann sei ihm die ganze Arbeit über den Kopf gewachsen. Die Folgen werden in der Verhandlung nach und nach deutlich: Der Landwirt fängt an, die Büroarbeit zu vernachlässigen, lässt Briefe und Mahnungen liegen. Der Hof gerät in finanzielle Schwierigkeiten. Dann kommt die Corona-Krise und der Landwirt kann seine Rinder nach eigenen Angaben nicht mehr vermarkten. 

Alkohol und Depressionen

«Das war der Zeitpunkt, wo bei ihm Verzweiflung eingesetzt hat», erläutert sein Verteidiger Marc Zenner. Er sei in Depressionen abgeglitten und habe sich mit Alkohol betäubt. Nach dem Fund der Tiere sei er endgültig zusammengebrochen und in psychiatrische Behandlung gekommen. Einem Gutachten zufolge war er zu dem Zeitpunkt vermindert schuldfähig. 

Auf den im Gericht gezeigten Bildern vom Hof sieht man auf den ersten Blick von außen nicht, welches Grauen sich im Stall abgespielt hat. Alles ist ordentlich gepflegt, das Büro penibel aufgeräumt. Doch an einer Außenwand am Stall ist Wellblech angebracht. Ein Polizist im Prozess erläutert den mutmaßlichen Grund: Die Holzwände des Stalls seien an vielen Stellen abgewetzt gewesen, wo Kühe vermutlich versucht haben, Kondenswasser aufzuschlecken. Teilweise seien die Balken auch aus Hunger angeknabbert gewesen. Der Angeklagte habe die Löcher wohl von außen abgedeckt, meint der Beamte. 

Der Landwirt habe versucht zu vertuschen, was in seinem Stall vorgehe, sagt auch der Richter später in der Urteilsbegründung. Seiner Familie erzählt der Landwirt dem Gutachter zufolge nichts von den Problemen. Er sei nur noch ab und zu in den Stall gegangen. Er habe sich geschämt und sich auch keine Hilfe gesucht, weil er um seine Existenz, aber auch um sein Ansehen gefürchtet habe, sagt der Psychiater Peter Sauer.

Weiterbetrieb ohne Tiere

Der Angeklagte sei stark ins Dorfleben eingebunden gewesen: Er war im Gemeinderat, bei der freiwilligen Feuerwehr und im Bauernverband. Im Dorf galt sein Betrieb als vorbildlich. Auch das Veterinäramt hatte nach Angaben der Expertin Badewitz bei früheren Kontrollen nie Verstöße gegen das Tierschutzgesetz festgestellt. 

Das Mandat und die Ämter hat der 44-Jährige inzwischen abgegeben. Seinen Betrieb will er aber weiter führen: ohne Tiere, nur noch mit Ackerbau und Biogasanlage. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. 


Bildnachweis: © Daniel Karmann/dpa
Copyright 2022, dpa (www.dpa.de). Alle Rechte vorbehalten

Meistgelesene Artikel

Brückeneinsturz in Dresden - Desaster mit glimpflichem Ende
Weltnews

Ein Teil der Carolabrücke in Dresden stürzt in der Nacht in die Elbe. Eine wichtige Verkehrsader ist unpassierbar. Die Stadt entgeht knapp einer Katastrophe. Wie konnte das passieren?

weiterlesen...
Boris Becker und Lilian de Carvalho Monteiro feiern Hochzeit
Weltnews

Die Kulisse: Portofino an der Mittelmeer-Küste, Italiens reichste Gemeinde. Hier feiert der Ex-Tennisstar Hochzeit mit Lilian de Carvalho Monteiro, die ihm auch während der Haft zur Seite stand.

weiterlesen...
Teile Tschechiens, Polens und Österreichs sind unter Wasser
Weltnews

Ganze Regionen in Tschechien leiden unter einem Jahrhunderthochwasser. Auch in Gebieten in Polen und Österreich gibt es Überschwemmungen. In Deutschland steigen ebenfalls die Pegelstände.

weiterlesen...

Neueste Artikel

«Frage von Leben und Tod»: Hurrikan «Milton» bedroht Florida
Weltnews

Erst «Helene», nun «Milton»: Schon wieder steuert ein gefährlicher Sturm durch den Golf von Mexiko auf Florida zu. US-Präsident Biden hat wegen des Hurrikans sogar eine wichtige Reise verschoben.

weiterlesen...
Neue Generation: Luxemburg steht vor Thronwechsel
Weltnews

In Luxemburg tritt Prinz Guillaume in die Fußstapfen seines Vaters. Zunächst ist er Stellvertreter von Großherzog Henri. Wann dieser sein Amt ganz abgibt, ist noch geheim.

weiterlesen...

Weitere Artikel derselben Kategorie

«Frage von Leben und Tod»: Hurrikan «Milton» bedroht Florida
Weltnews

Erst «Helene», nun «Milton»: Schon wieder steuert ein gefährlicher Sturm durch den Golf von Mexiko auf Florida zu. US-Präsident Biden hat wegen des Hurrikans sogar eine wichtige Reise verschoben.

weiterlesen...
Neue Generation: Luxemburg steht vor Thronwechsel
Weltnews

In Luxemburg tritt Prinz Guillaume in die Fußstapfen seines Vaters. Zunächst ist er Stellvertreter von Großherzog Henri. Wann dieser sein Amt ganz abgibt, ist noch geheim.

weiterlesen...
ANZEIGE – Premiumpartner