20. April 2022 / Weltnews

«Irrwege» erkannt: Naidoo will sich «verrannt» haben

Xavier Naidoo ist wohl Deutschlands umstrittenster Popstar. Der Sänger fiel in den letzten Jahren mit rassistischen und anders radikalen Äußerungen auf. Nun geht er dazu aufsehenerregend auf Abstand.

«Habe mich letztlich verrannt»: Xavier Naidoo.

Er trat mit sogenannten Reichsbürgern auf, verbreitete Theorien der QAnon-Bewegung, judenfeindliche Sätze und polarisierende Äußerungen zur Corona-Pandemie: Der umstrittene Sänger Xavier Naidoo hat sich in einem Video nach Jahren von Verschwörungserzählungen distanziert.

Der 50-Jährige sagte, er habe sich verrannt. Auslöser für den Sinneswandel sei der Krieg in der Ukraine. Seine Frau stamme aus dem Land und er habe Kontakte und Erfahrungen dort gesammelt.

«Ich stehe für Toleranz, Vielfalt und ein friedliches Miteinander. Nationalismus, Rassismus, Homophobie und Antisemitismus sind mit meinen Werten nicht vereinbar. Und ich verurteile diese aufs Schärfste», sagte der aus Mannheim stammende Popstar in dem etwas mehr als dreiminütigen Video, das am Dienstagabend veröffentlicht wurde.

«Ich habe mich Theorien, Sichtweisen und teilweise auch Gruppierungen geöffnet, von denen ich mich ohne Wenn und Aber distanziere und lossage», sagte Naidoo in dem Clip mit dem Titel «#OneLove». Er sei von Verschwörungserzählungen «geblendet» gewesen, habe diese nicht genug hinterfragt und sich «zum Teil instrumentalisieren» lassen. «Das habe ich leider jetzt erst erkannt. Ich habe Dinge gesagt und getan, die ich heute bereue», sagte der Musiker. Er habe sich in einer «Blase» befunden.

Naidoo fiel seit vielen Jahren mit Äußerungen auf, die antisemitische Chiffren oder «Reichsbürger»-Gedankengut enthalten. Musikalisch arbeitete Naidoo auch schon mit dem Sänger der bei Rechtsextremen beliebten Hooligan-Band Kategorie C zusammen. In einem Interview behauptete Naidoo, «die Juden» hätten die Welt «im Griff».

Für Aufsehen sorgte auch ein Video, in dem er Thesen der QAnon-Verschwörungsideologie verbreitet, nach der angeblich in satanischen Ritualen Kindern Blut abgezapft werde. Angesichts der Corona-Pandemie sang er über die Impfung: «Ich mach da nicht mit, es kann gar nicht sein. Euer Gift kommt niemals in unsere Körper rein.» Er behauptete zudem, die Erde sei nicht rund und drehe sich nicht.

Umdenken wegen des Krieges

Gegen Kritik, er stehe rechtsextremen Verschwörungserzählungen nahe, wehrte sich Naidoo öfter. Im Dezember 2021 urteilte das Verfassungsgericht in Karlsruhe aber, dass eine Vortragsrednerin ihn als Antisemiten bezeichnen durfte.

Naidoo begründete seinen Umschwung nun mit dem Krieg in der Ukraine. «Die Welt scheint wie auf den Kopf gestellt und ich habe mich gefragt, wie es so weit kommen konnte». Er habe viel mit Betroffenen gesprochen - und sich kritischen Fragen zu Äußerungen von sich stellen müssen, wofür er sei dankbar sei. «Ich habe erkannt, auf welchen Irrwegen ich mich teilweise befunden habe und dass ich in den letzten Jahren viele Fehler gemacht habe.» Ihm sei bewusst geworden, dass er Familie, Freunde und Fans mit «verstörenden Äußerungen irritiert und provoziert habe». Er wolle sich dafür entschuldigen.

Bekannt geworden ist der Soulsänger in den späten 90er Jahren. Mit dem Song «Sie sieht mich nicht» zum Film «Asterix und Obelix gegen Caesar» landete er einen Hit. Zahlreiche seiner Alben erreichten Platz eins der Charts. Auch mit der Gruppe Söhne Mannheims gelangen ihm Erfolge. Naidoo gewann viele Preise, darunter mehrere Echos.

Während der Fußballweltmeisterschaft 2006 spielte die deutsche Nationalmannschaft zur Erbauung vor den Spielen sein Lied «Dieser Weg» in der Kabine. Als Coach in der Castingshow «The Voice of Germany» (ProSieben und Sat.1) und in der Vox-Sendung «Sing meinen Song - Das Tauschkonzert» war Naidoo auch regelmäßig im Fernsehen zu sehen und ein TV-Star geworden.

Kontroversen

Doch zunehmend kam es zu Kontroversen um den Sänger. Am Tag der Deutschen Einheit 2014 sprach er in Berlin bei einer Demonstration von «Reichsbürgern». Sogenannte Reichsbürger erkennen die Existenz der Bundesrepublik Deutschland nicht an und lehnen daher auch ihre Repräsentanten und die geltende Rechtsordnung ab. Naidoo betonte später, dass er mit den «Reichsbürgern» nichts zu tun habe.

Für das Jahr 2016 wollte der NDR den Sänger als deutschen Kandidaten für den Eurovision Song Contest (ESC) setzen, ruderte aber schon nach kurzer Zeit im Herbst 2015 nach Protesten zurück. «Es war klar, dass er polarisiert, aber die Wucht der Reaktionen hat uns überrascht», sagte der damalige ARD-Unterhaltungskoordinator Thomas Schreiber. «Wir haben das falsch eingeschätzt.» Und weiter: «Die laufenden Diskussionen könnten dem ESC ernsthaft schaden.»

2020 nahm RTL Naidoo aus der Jury der Sendung «Deutschland sucht den Superstar» (DSDS). Es war ein Video aufgetaucht, in dem zu sehen ist, wie er ein rassistisches Lied singt. Bei Facebook schrieb Naidoo, seine Aussagen seien absolut falsch interpretiert worden. Seine Erklärungen reichten RTL jedoch nicht.

Gespaltenes Echo in sozialen Medien

Auch als Reaktion auf das neue Video war das Echo jetzt in den sozialen Medien gespalten. Vielen reichten die Ausführungen nicht.

Der Politikwissenschaftler Josef Holnburger schrieb zum Beispiel bei Twitter: «Wenn er sich jetzt tatsächlich distanzieren will, braucht es mehr als ein vages Distanzieren von unbenannten Gruppen und Sichtweisen.» Es brauche möglicherweise juristische Konfrontation und Aufarbeitung, meinte Holnburger, einer der Geschäftsführer des Centers für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS), das in sozialen Medien unter anderem Radikalisierungstendenzen und die Verbreitung von Verschwörungserzählungen beobachtet. «Der von ihm verbreitete Antisemitismus ist nicht mit einem Videostatement weg.»

Der Publizist Max Czollek twitterte: «Am Ende ist es mir egal, ob #XavierNaidoo durch Geldmangel, öffentlichen Druck oder echte Einsicht zur Erkenntnis gekommen ist, dass sein menschenverachtendes Verschwörungszeug Unsinn ist. Die Szene hat ihre prominenteste Stimme verloren. Und das ist ein Grund zum Feiern.»


Bildnachweis: © Henning Kaiser/dpa
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