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Der Skandal machte 2018 Schlagzeilen: Damals wurde bekannt, dass viele Mittel gegen Bluthochdruck, die auf dem Wirkstoff Valsartan basieren, mit dem potenziell krebserregenden Stoff N-Nitrosodimethylamin (NDMA) verunreinigt sind. Einige Chargen wurden zurückgerufen. Der Ausgangswirkstoff für die damals vom Markt genommenen Arzneimittel kam von einem chinesischen Produzenten.Rund vier Jahre danach ist dieser Pharma-Skandal am Donnerstag ein Fall für das Oberlandesgericht (OLG) München geworden. Ein heute 75 Jahre alter Mann klagte dort auf Auskunft, weil er nach der Einnahme eines Mittels mit Valsartan an Krebs erkrankte. Er geht davon aus, dass das Medikament einen seltenen Tumor in seinem Magen verursacht hat. In einem zweiten Schritt verlangte er auch Schmerzensgeld. Das Teilverfahren war aber bis zur Klärung der Auskunftsfrage weiter am Landgericht anhängig.Das Landgericht München I hatte seiner Forderung nach Auskunft nämlich im vergangenen Jahr stattgegeben - allerdings nur zum Teil (23 O 8725/20 vom 19.10.2021). Er und auch das beklagte Pharmaunternehmen legten Berufung gegen das Urteil ein, darum kam es nun zur Verhandlung in der nächsten Instanz.Unklarheiten über das MedikamentDie Vertreter des Pharma-Unternehmens führten an, dass fraglich sei, ob das Medikament, dass der Kläger eingenommen hatte, überhaupt aus den verunreinigten Chargen stammte. Viele Packungen seien vorsichtshalber aus den Regalen der Apotheken genommen worden. Im Übrigen sei nicht nachzuvollziehen, warum ausgerechnet das Medikament den Tumor verursacht haben soll und nicht das «allgemeine Lebensrisiko» eines über 70 Jahre alten Mannes.Nach Angaben der Beklagten-Vertreter sehen Studien erst nach einer sechs Jahre langen Einnahme des verunreinigten Blutdruckmittels ein minimal gestiegenes Krebsrisiko - und der Kläger habe das Mittel nur drei Jahre lang eingenommen. Der Vorsitzende Richter allerdings betonte: «Es spricht sehr viel dafür, dass es einen solchen Zusammenhang geben könnte.» Er legte den Parteien einen außergerichtlichen Vergleich ans Herz, den diese nun prüfen wollen.Eine Untersuchung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Zusammenarbeit mit dem wissenschaftlichen Institut der AOK war im vergangenen Jahr zu dem Ergebnis gekommen, dass es wegen des verunreinigten Wirkstoffs kein insgesamt erhöhtes Krebsrisiko gebe. Weder für eine dreijährige Langzeitanwendung noch in Abhängigkeit der Dosierung sei ein erhöhtes Risiko für Krebs insgesamt festgestellt worden.Signifikantes RisikoBei der Analyse speziell von Leberkrebs nach Verschreibung des verunreinigten Valsartan ergab die Studie jedoch ein statistisch signifikantes, wenngleich auch gering erhöhtes Risiko. Eine direkte Kausalität lasse sich daraus jedoch nicht ableiten und solle weiter erforscht werden, schrieb das BfArM.Leberkrebs sei die wahrscheinlichste Krebsart nach der Aufnahme von NDMA. Besondere Faktoren wie Rauchen, Ernährungsgewohnheiten oder genetische Prädisposition seien jedoch nicht in die Studie eingeflossen.Für die Untersuchung hatten die Wissenschaftler Daten von 780.871 AOK-Versicherten ausgewertet, die Anfang 2012 mindestens 40 Jahre alt waren und zwischen 2012 und 2017 mindestens ein Rezept für ein Arzneimittel mit Valsartan eingelöst hatten. Einige der Mittel waren mit NDMA verunreinigt gewesen, andere nicht. Mittel- und langfristige Krebsrisiken konnten laut BfArM aufgrund des begrenzten Beobachtungszeitraums noch nicht untersucht werden.Umfängliche UntersuchungenDer Valsartan-Skandal hat die Kontrollmechanismen für Arzneimittel verschärft, wie das BfArM mitteilte: «Die Herstellungsprozesse wurden umfänglich untersucht», betonte das Institut. Die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) legte in Folge des Skandals neue Grenzwerte fest. Die pharmazeutischen Unternehmer müssen nach BfArM-Angaben seitdem gezielt alle möglichen Maßnahmen in ihren Herstellungsprozessen ergreifen, um Verunreinigungen zu vermeiden.Die Verhandlung am OLG München ist nicht der erste Prozess im Valsartan-Skandal. Im vergangenen Jahr wies das Oberlandesgericht Stuttgart die Schadensersatz-Klage einer Patientin ab, die das Mittel eingenommen und darum nach Bekanntwerden des Skandals Angst hatte, an Krebs zu erkranken.Das Oberlandesgericht Frankfurt entschied dagegen ebenfalls im vergangenen Jahr zu Gunsten der Klägerin. Besteht eine 97-prozentige Wahrscheinlichkeit, dass ein mit einem möglicherweise Krebs verursachenden Stoff verunreinigtes Medikament eingenommen wurde, könne der später an Krebs Erkrankte von dem Hersteller des Arzneimittels Auskunft verlangen, hieß es in dem Urteil.Bildnachweis: © Fabian Sommer/dpaCopyright 2022, dpa (www.dpa.de). Alle Rechte vorbehalten