15. August 2022 / Weltnews

Ursache für Fischsterben in der Oder weiter unklar

Mitte der 80er Jahre ging die Sandoz-Katastrophe am Rhein in die Geschichtsbücher ein. Das Fischsterben an der Oder sei damit durchaus vergleichbar, heißt es. Doch anders als damals ist die Ursache nicht bekannt.

Tote Fische in der Oder.

Nach dem massenhaften Fischsterben in der Oder hoffen die deutschen Behörden auf rasche Hinweise zur Ursache der Umweltkatastrophe. Möglicherweise lägen bis Dienstag Ergebnisse vor, teilte das Bundesumweltministerium mit.

Die polnischen Behörden stellten nur klar, dass wohl nicht Quecksilber zum Tod der Tiere führte. Nach einer Schätzung des Umweltverbands BUND sind in den vergangenen Tagen bis zu 100 Tonnen Fisch in der Oder verendet. 500 Kilometer Flusslauf seien betroffen.

Bürger sollen das Oder-Wasser nicht berühren

Polnische Behörden hatten nach Regierungsangaben schon Ende Juli erste Hinweise, dass in dem Fluss massenweise verendete Fische treiben. Seit vergangener Woche herrscht auch in Deutschland Alarmstimmung. Bürger sollen das Oder-Wasser nicht berühren. Freiwillige Helfer fischten tonnenweise stinkende Kadaver aus dem Wasser, die auf dem Gelände der PCK-Raffinierie in Schwedt verbrannt werden. Welche Folgen langfristig für Fische, Tiere und Pflanzen der Oderregion und der Ostsee drohen, ist nicht absehbar.

Aus Sicht des BUND ist die Katastrophe vergleichbar mit dem Sandoz-Unglück von 1986, als nach einem Brand bei der Chemiefirma in der Schweiz große Mengen verseuchten Löschwassers in den Rhein gelangten und ein großes Fischsterben verursachten. Damals sei aber - anders als heute - die Quelle der Verunreinigung bekannt gewesen, sagte BUND-Gewässerexperte Sascha Maier der Deutschen Presse-Agentur.

Suche nach der Ursache

Sowohl die Bundesregierung als auch das Land Brandenburg bekräftigten ihren Unmut über fehlende Informationen aus Polen. Angaben seien nur «kleckerweise» oder «überhaupt nicht» gekommen, kritisierte Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke bei einem Besuch in Lebus an der Oder, wo er sich ein Bild der Lage machen wollte. Der SPD-Politiker bekräftigte: «Wir wissen bis jetzt nicht, was genau diese Vergiftungserscheinungen bei den Fischen verursacht hat.»

Die polnische Seite sei dabei, in ihrem Zentrallabor nach 300 Stoffen zu fahnden, berichtete Landesumweltminister Axel Vogel (Grüne) vor Ort. Ausgeschlossen werden könne zum gegenwärtigen Zeitpunkt, dass die Fische an Quecksilber gestorben seien. Deutsche und polnische Seite arbeiteten nun intensiver zusammen als in der Vergangenheit. Von Dienstag an wollen Experten beider Länder tagen. Das Bundesumweltministerium nannte den Dienstag auch als mögliches Datum erster Untersuchungsergebnisse von Wasser und Fischen.

Für das Fischsterben gibt es nach Einschätzung von Landesumweltminister Vogel wohl mehr als nur eine Ursache. Die Dürre und die geringe Wasserführung hätten ziemlich sicher einen Anteil daran. Das gesamte Ökosystem der Oder sei geschädigt. «Deswegen denken wir, dass wir auch nicht eine Katastrophe haben, die innerhalb von einem halben Jahr durch Wiederbesiedlung mit Fischen gelöst werden kann.»

Mehreren Ursachen sieht auch der BUND. Maier nannte Faktoren wie Niedrigwasser oder Arbeiten am Oder-Ausbau, die Fische und das Ökosystem in Stress versetzt hätten. Akut habe es dann wohl auf polnischer Seite eine illegale Einleitung von Chemikalien gegeben. «Wir können davon ausgehen, dass es eine Verunreinigungswelle gab, die durch die Oder geflossen ist», sagte der Gewässerexperte.

Belohnung von mehr als 200.000 Euro für Aufklärung

Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki hatte am Freitag erklärt, das Fischsterben sei offenbar durch Einleitung einer «riesigen Menge» von Chemieabfällen ausgelöst worden. Die polnische Regierung setzte eine Belohnung von mehr als 200.000 Euro für die Aufklärung aus.

Ölsperren sollen verhindern, dass sich auch Fischkadaver im Stettiner Haff ausbreiten, wie das Umweltministerium Mecklenburg-Vorpommerns mitteilte. Die Oder mündet in das Haff, das mit rund 900 Quadratkilometern etwa doppelt so groß ist wie der Bodensee. Es gehört zu zwei Dritteln zu Polen. Von dort verlaufen Wasserverbindungen zur Ostsee. Bisher seien auf deutscher Seite des Haffs keine toten Fische aus der Oder angeschwemmt worden, hieß es. Der Chef der polnischen Gebietsadministration der Woiwodschaft Westpommern, Zbigniew Bogucki, sagte laut Agentur PAP, die Kontaminationswelle sei noch nicht im Haff oder in Stettin angekommen. «Sie wird also noch kommen.»

Kritik von Anglern und Fischern

Der Deutsche Angelfischer- und der Deutsche Fischerei-Verband haben die deutschen Behörden kritisiert. «Von außen wirkte die Aktivität der deutschen Behörden nicht wie ein souveränes Krisenmanagement», hieß es in einer gemeinsamen Mitteilung vom Montag. Offensichtlich verfüge das zuständige Umweltministerium nicht über konkrete Ablaufpläne oder hinreichend kompetentes Personal, um mit solchen Situationen umzugehen.

Man hätte sich eine schnellere, flexiblere und großflächigere Probenentnahme gewünscht, sagte Claus Ubl vom Deutschen Fischerei-Verband der Deutschen Presse-Agentur. Damit hätte man eine bessere Vorstellung von der durchlaufenden Welle bekommen. Bis heute sei nicht klar, woran die Fische gestorben seien. In der Mitteilung heißt es, es habe keine konkreten Maßnahmen zum Bevölkerungsschutz, sondern nur die Veröffentlichung von Empfehlungen gegeben. «Auf polnischer Seite war deutlich mehr Aktivität der staatlichen Stellen erkennbar.» Die Entsorgung der Fischkadaver erschien demnach gut koordiniert. Freiwillige Helfer, etwa aus der Anglerschaft, seien gut angeleitet und koordiniert worden.

Die Oder sei trotz allem keinesfalls fischfrei geworden. Es gebe Sichtungen von Fischbrut und überlebenden Tieren. Wiederangesiedelte Störe seien gerettet worden. Die Verbände forderten unter anderem die Ermittlung der Verursacher, Bemühung um Schadenersatz von polnischer Seite, Hilfe für geschädigte Fischereibetriebe und andere Gewässernutzer, den Wiederaufbau der Fischbestände sowie Maßnahmenplänen auf deutscher Seite für entsprechende Ereignisse.


Bildnachweis: © Marcin Bielecki/PAP/dpa
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