1. September 2023 / Weltnews

Unsichtbare Gefahr: Afrikas Kampf gegen verschmutzte Luft

Die Luftverschmutzung in Afrikas Städten ist laut den UN zur «unsichtbaren Gefahr» geworden. Besonders der Verkehr wird künftig die Luft verpesten. E-Mobilität soll helfen. Das reicht nicht, warnen Forscher.

Verkehr im Stadtzentrum von Kigali. In der Hauptstadt von Ruanda gibt es geschätzt rund 30.000 Motorrad-Taxifahrer.

Besonders gerne fahren Geschäftsleute mit Albert Nzigirimana. «Die mögen, dass die Fahrt ganz sanft ist und das Ruckeln beim Schalten wegfällt», sagt der Mittvierziger. Nzigirimana ist einer der geschätzt 30.000 Motorrad-Taxifahrer in Ruandas Hauptstadt Kigali. Seit einem Jahr fährt er ein Motorrad mit Elektroantrieb.

Täglich fährt Nzigirimana Kunden mit seinem Fahrzeug - kurz Moto - durch Kigali und ist dabei eine Alternative zu teuren Taxis und übervollen Bussen. Fast überall in Subsahara-Afrika sind die Motorradtaxis ein fester Bestandteil des öffentlichen Nahverkehrs. Nzigirimana und sein E-Bike fallen direkt an der leuchtend gelben Batterie auf, die vor dem Sitz der Motorräder eingebaut ist. Noch ist er einer der wenigen Fahrer, die bereits auf E-Mobilität umgestellt haben.

Mit den rasant gestiegenen Benzinpreisen seien die E-Motorräder zu einer rentablen Konkurrenz zu den Benzinern geworden, sagt Nzigirimana. Für ihn war allerdings ein anderer Grund ausschlaggebend, um auf ein E-Moto umzusteigen: «Wenn man jahrelange Moto fährt, belasten die Abgase die Lungen», sagt Nzigirimana. Auch er leide unter Atemproblemen. Er ist bei weitem nicht der einzige Motofahrer, der über gesundheitliche Probleme klagt: Laut britischen Forschern leiden immer mehr Fahrer unter Atemwegserkrankungen oder Haut- und Augenreizungen infolge der giftigen Abgase.

In Afrikas Städten sind diese längst ein großes Problem. Die UN bezeichneten die Luftverschmutzung in den Metropolen des Kontinents unlängst als «unsichtbare Gefahr». Laut dem UN-Umweltprogramm UNEP könnte in Afrika die Zahl der vorzeitigen Todesfälle in Zusammenhang mit Luftverschmutzung bis 2063 auf 1,6 Millionen pro Jahr steigen.

Neben Asien wachsen in keinem anderen Teil der Welt die Städte so schnell wie in Afrika. Hinzu kommt, das Afrika der Kontinent mit dem höchsten Bevölkerungswachstum überhaupt ist. Laut der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) werden in Afrika bis 2050 knapp eine Milliarde Menschen in die Städte ziehen. Doch die ächzen schon jetzt unter den Blechlawinen, die das völlig unzureichende Straßennetz der Städte verstopfen.

Experte: Verkehr bedeutender Grund für Luftverschmutzung

Ngongang Wandji Danube, Experte für Luftqualitätsmanagement am Stockholm Environment Institute Africa (SEI Africa) in Nairobi, sieht vor dem Internationalen Tag der sauberen Luft am 7. September mit Sorge auf diese Entwicklung: «Der Verkehr ist einer der wichtigsten Gründe für die hohe Luftverschmutzung in den afrikanischen Städten.»

Insgesamt betrachtet geht auf dem Kontinent insbesondere in den ländlichen Gebieten noch immer die größte Gefahr von Luftverschmutzung in Innenräumen aus, da viele Haushalte noch an offenen Feuerstellen kochen. Wissenschaftlern zufolge gehen die Todeszahlen durch Luftverschmutzung in Innenräumen jedoch zurück, denn mit dem Umstieg auf Gaskocher ist eine schnell umsetzbare Lösung für das Problem zur Hand. Die Gefahr durch die Luftverschmutzung durch Verkehrsemissionen nimmt jedoch stetig zu. Die Motorradtaxis tragen in den Städten dabei einen nicht unerheblichen Teil an den Emissionen bei.

Warnung vor umweltschädlichen Motorradtaxis

Bereits vor zwei Jahren warnte Peter Anyang Nyong'o, der Gouverneur des Kisumu Countys in Kenia, vor den Umweltgefahren der Boda Bodas, wie die Motorradtaxis dort genannt werden. «Ein durchschnittliches Motorrad verursacht pro Kilometer schätzungsweise zehnmal mehr Schadstoffe als ein Pkw, ein Kleinlaster oder ein SUV», sagte Anyang' Nyong'o. Josh Whale, der Geschäftsführer des ruandischen E-Motorradherstellers Ampersand, hält die Schätzung für plausibel: «Viele der Motorräder in Afrika sind nicht nach den europäischen Emissionsschutz-Standards gebaut, die meisten nicht mal nach indischen Standards, wo viele der in Afrika eingesetzten Motorräder gebaut werden.» Noch immer führen viele der Motorräder mit Technologie der 1970er-Jahre herum.

Gleichzeitig wird die Zahl der Motorradtaxis auf Afrikas Straßen in den kommenden Jahren immer weiter zunehmen. Sie sind nicht nur eine günstige Alternative, sie sind auch die einzige Möglichkeit, um nicht im Stau stecken zu bleiben. Experten prognostizieren, dass sich die Zahl der Motorradtaxis in Kenias Hauptstadt Nairobi bis 2030 auf rund fünf Millionen mehr als verdreifachen wird. In Kigali dürfte sich die Zahl Experten zufolge ebenfalls verdreifachen.

Ruanda will ein Drittel seiner Motorräder elektrifizieren

Aus diesem Grund will Ruanda bis 2030 laut dem UN-Entwicklungsprogramm knapp ein Drittel seiner Motorräder elektrifizieren. Damit soll nicht nur die Luft reiner werden, sondern auch die Treibhausgasemissionen sinken. Das Problem löse sich dadurch allein jedoch nicht, glaubt Carol Mungo, Energie- und Klimaexpertin beim SEI Africa: «Leider ist das öffentliche Verkehrssystem in Afrika noch nicht sehr fortschrittlich, so dass sich die meisten Menschen, die es sich leisten können, zwangsläufig für ein eigenes Auto entscheiden.»

Außerdem seien Busse ein Paradies für Diebe und für Frauen nicht immer ein sicheres Verkehrsmittel. In den meisten afrikanischen Metropolen sind Nahverkehrszüge nicht existent. Die Buslinien fahren häufig nicht nach einem festgelegten Fahrplan. Dabei ist auch Mungo überzeugt, dass ein gut ausgebauter öffentlicher Nahverkehr mit Bussen und Bahnen die klima- und umweltfreundlichste Lösung wäre.

Wie es funktionieren könnte, zeigt in Ansätzen Tansanias größte Stadt Daressalam. Dort gibt es seit einigen Jahren mit einem Schnellbusnetz eines der besten öffentlichen Verkehrsnetze in Subsahara-Afrika. Die Busse umgehen mit eigenen Fahrspuren den Stau der Stadt und sind so viel zuverlässiger. Das Modell gilt als Vorbild für viele Städte in Afrika. Der Preis ist jedoch hoch: Bisher kostete der Ausbau des ÖPNV rund 350 Millionen US-Dollar (321 Mio. Euro).


Bildnachweis: © David Renke/dpa
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