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Nichtsahnend geht die 23-Jährige an jenem Abend von der Arbeit nach Hause, nimmt den Feldweg. Plötzlich nähert sich ihr ein Mann von hinten, drückt ihr die Hand ins Gesicht. Er zerrt an ihrer Jacke. Erst kann die Frau sich losreißen, doch dann packt und würgt er sie und droht damit, dass er sie umbringen werde. So schilderte die Oberstaatsanwältin am Freitag am Landgericht Stuttgart den Beginn eines fast 24-stündigen Martyriums: Der Mann habe sein Opfer in eine Gartenhütte verschleppt, diese verriegelt, die Frau mehrfach vergewaltigt und zwischendurch mit Paketband geknebelt.Die Frau selbst saß zum Auftakt des Prozesses nicht im Gerichtssaal, aber ihre Mutter. Mit Tränen in den Augen verließ diese zum ersten Mal den Raum schon in dem Moment, als die Staatsanwältin die Taten schilderte. Geiselnahme und Vergewaltigung wirft sie dem Mann vor.Der Angeklagte schildert sein LebenDer 36-Jährige hüllte sich in eine dicke, grüngraue Jacke. Die Kapuze ließ er die ganze Zeit über seinen Kopf gezogen. «Wegen der Presse», gab er zur Begründung an. Ausführlich schilderte er seinen Werdegang, der von Drogen und Arbeitslosigkeit gezeichnet ist. Eine Ausbildung zum Schreiner habe er abgebrochen, den Hauptschulabschluss nachgeholt, als er wegen Raubes das erste Mal im Gefängnis saß. Er verdingte sich als Gabelstaplerfahrer bei diversen Logistikfirmen und machte hobbymäßig als DJ Geld, wie er weiter erzählte.Den Drogenkonsum - Alkohol, Marihuana, Amphetamine, Kokain - habe er zum Schluss vorwiegend aus Hartz-IV-Einnahmen finanziert. Eine Zeit lang sei er obdachlos gewesen. Er habe in einem Zelt gecampt, dann in jener Hütte eines Bekannten bei Reichenbach an der Fils (Landkreis Esslingen) übernachtet, die später zum Tatort wurde. Rückblickend sei sein ganzes Leben «kaputt» gewesen, sagte der Mann und berichtete von Schlafstörungen sowie Suizidgedanken. Drogen seien sein Lebensinhalt gewesen. Gekifft habe er täglich, seit rund 20 Jahren.Dann trug sein Anwalt ein Geständnis vor: Die Vorwürfe träfen vollumfänglich zu. Sein Mandant entschuldige sich bei der Frau, auch wenn es für die Taten keine Entschuldigung gebe. «Er will dem Opfer ersparen, das Martyrium durch die Zeugenaussage noch mal erleben zu müssen», erläuterte der Verteidiger. «Er weiß, dass das, was er der Geschädigten angetan hat, unentschuldbar ist.»Massiver Alkohol- und Drogenkonsum hätten dem 36-Jährigen an dem Tag Anfang April dieses Jahres den Kopf vernebelt, sagte der Anwalt. Das solle nicht heißen, dass sein Mandant nicht zu seiner Verantwortung stünde und schuldunfähig gewesen wäre. Aber der Angeklagte sei sich sicher, dass er das sonst «nie und nimmer» getan hätte.«Ich wusste nicht selbst, was ich tue», sagte der 36-Jährige. Geplant gewesen sei die Tat nicht. Er sei nicht mehr in der Lage gewesen, sich zu kontrollieren. Ganz bestimmt hätte er die Frau nicht geschlagen oder gar umgebracht, beteuerte er. «Ich habe dem Mädchen von Anfang an gesagt, dass sie wieder gehen kann.»Die Mutter des Opfers hörte dies schon nicht mehr. Sie war erneut kopfschüttelnd und weinend aus dem Saal geeilt.Wie Polizei und Staatsanwaltschaft seinerzeit mitgeteilt hatten, hatte es kurz nach dem Verschwinden der 23-Jährigen eine große Suchaktion samt Polizeihubschrauber und Rettungshundestaffeln gegeben. Schließlich wiesen Passanten auf die Gartenhütte hin und darauf, dass sich dort ein unbekannter Mann aufhalte. Als die Frau die Einsatzkräfte wahrnahm, habe sie aus dem Fenster klettern und in Sicherheit gebracht werden können. Sie kam in ein Krankenhaus.Bei dem Zugriff flüchtete der 36-Jährige und schnitt sich nach eigener Darstellung die Pulsadern auf. Polizisten nahmen ihn kurz darauf fest. Mit seinem Geständnis erhofft sich der Angeklagte laut seinem Anwalt, dass der Prozess abgekürzt werden kann. Geplant waren vier Fortsetzungstermine bis Ende Oktober. Einige Zeuginnen strich das Gericht nach dem Geständnis schon von der Liste.Vom Angeklagten wollte der Vorsitzende Richter noch wissen, wie er sich seine Zukunft vorstelle. Er sei tief abgerutscht, antwortete der. Sein Leben sei bergab gegangen. Er wisse, dass er von den Drogen loskommen müsse. «Ich muss 'ne Therapie machen. Ich brauche das.»Bildnachweis: © Christoph Schmidt/dpaCopyright 2022, dpa (www.dpa.de). Alle Rechte vorbehalten