7. Januar 2024 / Weltnews

Konzerne wenden sich von Top-Influencerin ab

Mit einem Video führte Instagram-Star Chiara Ferragni (fast 30 Millionen Follower) Leute in die Irre. Jetzt meldet sich die Italienerin aus dem Skandal zurück. Doch die Hoffnung auf Vergessen könnte täuschen.

Chiara Ferragni hat auf Instagram fast 30 Millionen Follower. (Archivbild)

18 Tage, das ist für eine Influencerin vermutlich eine schrecklich lange Zeit. 18 Tage, seit der Woche vor Weihnachten, blieb es auf dem Instagram-Konto von Chiara Ferragni völlig still. Bis sich die Italienerin mit fast 30 Millionen Followern in aller Welt nun erstmals wieder zu Wort meldete: ein Foto in den Stories nur, noch ohne Gesicht, aber mit nachtschwarzem Lack auf den Nägeln, einer Tasse in der Hand, einem freundlichen Buongiorno und einem Herzen dazu. Kein Wort zum Skandal um irreführende Werbung, der im letzten Monat des alten Jahres ihre internationale Gemeinde erschüttert hatte und Italien dazu.

Neues Jahr, neues Glück? Alles schon wieder vergessen? Wenn das die Hoffnung war, könnte sie sich als trügerisch erweisen. Jetzt gehen die ersten Firmenkunden, auf denen das Geschäftsmodell der vielfachen Millionärin im Wesentlichen beruht, auf Distanz: Der Getränkemulti Coca-Cola gab soeben den Verzicht auf einen bereits abgedrehten Werbespot bekannt, der Ende Januar zum Schlagerfestival von Sanremo ausgestrahlt werden sollte. Für Italien ist das in etwa so, als ob Rihanna in den USA vergangenes Jahr noch schnell aus der Halbzeitpause des Super Bowl rausgekegelt worden wäre.

Dazu muss man wissen, dass es Ferragni zu Hause an Prominenz durchaus mit der rechten Ministerpräsidentin Giorgia Meloni aufnehmen kann. Auch in Deutschland ist die 36-Jährige, verheiratet mit dem Italo-Rapper Fedez (14,7 Millionen Follower), Mutter von zwei kleinen Kindern, vielen ein Begriff. Die letzten Jahre bespielte sie virtuos die Klatschspalten und sozialen Kanäle, bis hin zu einer eigenen Reality-Show im Fernsehen. Über ihr Verkaufstalent hinaus äußerte sie sich immer häufiger auch zu gesellschaftlichen Fragen.

Angebliche Spenden kamen nicht in Kinderkrebs-Station an

Umso größer waren Ungläubigkeit, Enttäuschung und Wut, als die nationale Kartellbehörde AGCM kurz vor Weihnachten eine Million Euro Bußgeld wegen unlauteren Wettbewerbs gegen sie verhängte. Der Grund: Ferragni hatte ihre Riesengemeinde glauben lassen, dass der Erlös eines von ihr angepriesenen Kuchens namens «Pink Christmas» (Preis: neun Euro) zu größeren Teilen an eine Kinderkrebs-Station gehe. In Wahrheit bekam das Krankenhaus Regina Margherita in Turin trotz mehr als 360.000 verkaufter Kuchen keinen einzigen Cent. Bei Kampagnen für Ostereier und eine Puppe gab es möglicherweise ähnliche Muster.

Inzwischen beschäftigt das Thema einige Staatsanwaltschaften. Ministerpräsidentin Meloni nahm den Fall Ferragni zum Anlass, ein neues Gesetz für mehr Transparenz bei solchen Internet-Auftritten prüfen zu lassen. Auf deren Instagram-Konto hagelte es böse Kommentare. Ihre Luxus-Boutique in Rom wurde mit Inschriften wie «Bandita» (Banditin») und «Truffatrice» («Betrügerin») beschmiert. Kurz vor dem Fest veröffentlichte sie schließlich ein Entschuldigungsvideo, was die Sache aber eher noch schlimmer machte.

Viele nehmen versuchte Erklärung nicht ab

Ferragni präsentierte sich darin arg inszeniert in Sünderpose: dezentes Make-up, in mausgrauem Strick, brüchige Stimme, den Tränen nah. Sie sprach von einem «Kommunikationsfehler», wolle solche «Missverständnisse» künftig vermeiden und kündigte an, der Kinderkrebsstation in Turin eine Million Euro zu spenden. Zugleich erklärte sie, den Beschluss des Kartellamts anzufechten und sich das Geld also zurückholen zu wollen. Viele nahmen ihr den Auftritt nicht ab. Kurz darauf kündigte ihr der Brillenhersteller Safilo (Marken wie «Boss») als erstes Unternehmen die Zusammenarbeit auf.

Fast zeitgleich mit der Rückkehr auf Instagram gab nun auch Coca-Cola bekannt, bis auf Weiteres auf die Zusammenarbeit mit der Influencerin zu verzichten. Andere bisherige Werbepartner verfolgen nun genau, was geschieht: italienische Firmen wie der Luxusmode-Hersteller Tod's und die Wäschemarken Intimissimi und Calzedonia, aber auch internationale Konzerne wie L'Oréal, Nestlé und Procter & Gamble. Wie die Sache für Ferragni und ihr Unternehmen ausgehen wird, ist noch unklar.

Bericht: Mehr als 70.000 Follower verloren

Nach Informationen der Illustrierten «Oggi» hat die Influencerin auf Instagram inzwischen mehr als 70.000 Follower verloren. Zudem sollen sich viele still verabschiedet haben. Der Marketing-Experte Giampaolo Colletti meint: «Die Krise, die Ferragni durchlebt, bringt uns auf unbekanntes Gelände. Das ist der erste Sturz vom Olymp der Influencer.» Wichtiger als alles andere sei für sie nun, Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen. Bislang sind die meisten Experten der Meinung: Das Internet vergibt nicht, vergisst aber auch schnell.

Augenblicklich sind die Zeichen noch nicht eindeutig. Zum Auftakt des italienischen Winterschlussverkaufs an diesem Wochenende blieb es in Ferragnis Boutique in Rom recht leer. Die Verkäuferinnen beschäftigten sich damit, Pullover zusammenzulegen. Andererseits: Der mausgraue Jumpsuit aus Wolle und Angora (Preis: 600 Euro), den Ferragni in ihrem Entschuldigungsvideo trug, war schon kurz darauf völlig ausverkauft. Inzwischen sind auch die Farben Schwarz und Weiß restlos vergriffen.


Bildnachweis: © Alberto Pezzali/AP/dpa
Copyright 2024, dpa (www.dpa.de). Alle Rechte vorbehalten

Meistgelesene Artikel

Erste West-Nil-Virus-Infektion erfasst - «erhöhte Aktivität»
Weltnews

Mit dem West-Nil-Virus übertragen einheimische Stechmücken seit einigen Jahren einen potenziell tödlichen Erreger. In diesem Jahr könnte es vergleichsweise viele Fälle geben.

weiterlesen...
Institut: Wieder sterben zahlreiche Amseln am Usutu-Virus
Weltnews

Vor sechs Jahren sind in Deutschland zahlreiche Amseln gestorben. Ein Grund dafür war das Usutu-Virus. Es ist auch 2024 wieder aktiv - viele tote Tiere werden gemeldet.

weiterlesen...
Versagen des «Starliner» - Wie kehren die Astronauten heim?
Weltnews

Rund eine Woche sollten zwei Nasa-Astronauten an Bord der ISS bleiben. Weil der «Starliner» Probleme macht, sind es jetzt schon fast drei Monate. Die Nasa steht vor einer schwierigen Entscheidung.

weiterlesen...

Neueste Artikel

Hochwasser von Polen bis Österreich: Deutschland rüstet sich
Weltnews

Nach dem verheerenden Dauerregen stehen Tausende Menschen von Polen über Tschechien, Rumänien bis nach Österreich vor den Trümmern ihrer Existenz. Eine Wasserwalze kommt auch nach Deutschland.

weiterlesen...
Auf dem Weg zur Schule: 14-Jährige stirbt an Bahnübergang
Weltnews

Auf dem Weg zur Schule will eine 14-Jährige trotz geschlossener Schranke die Schienen überqueren. Sie wird von einem Fernzug erfasst und stirbt.

weiterlesen...

Weitere Artikel derselben Kategorie

Hochwasser von Polen bis Österreich: Deutschland rüstet sich
Weltnews

Nach dem verheerenden Dauerregen stehen Tausende Menschen von Polen über Tschechien, Rumänien bis nach Österreich vor den Trümmern ihrer Existenz. Eine Wasserwalze kommt auch nach Deutschland.

weiterlesen...
Auf dem Weg zur Schule: 14-Jährige stirbt an Bahnübergang
Weltnews

Auf dem Weg zur Schule will eine 14-Jährige trotz geschlossener Schranke die Schienen überqueren. Sie wird von einem Fernzug erfasst und stirbt.

weiterlesen...
ANZEIGE – Premiumpartner