11. März 2023 / Weltnews

Debatte über Waffengesetze nach Amoktat von Hamburg

Zur Amoktat von Hamburg werden mehr Details bekannt - auch über den 35 Jahre alten Täter. Viele Fragen sind aber auch weiter offen. Eine politische Dauer-Diskussion und ein Streitthema der Koalition werden wieder angeheizt.

Blumen und Kerzen vor dem Eingang zu der Kirche der Zeugen Jehovas in Hamburg.

Die Amoktat von Hamburg hat die Debatte über schärfere Waffengesetze wieder in den Fokus gerückt. Einen Tag nach dem Verbrechen mit acht Toten und mehreren Verletzten in den Räumen der Zeugen Jehovas kündigte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) an, den Entwurf zur Änderung des Waffengesetzes noch einmal prüfen zu wollen. Man müsse nun überlegen, «wie wir mit dieser neuerlich furchtbaren Amoktat in Hamburg nochmal an den Gesetzentwurf gehen, um zu schauen: Gibt es noch Lücken, oder wo war er genau richtig?», sagte Faeser am Freitagabend den ARD-«Tagesthemen».

Zum Zustand der Verletzten gab es am Samstagmittag noch keine neuen Informationen. Wie das Lagezentrum der Polizei auf Anfrage zudem mitteilte, waren Planungen für Trauermärsche oder Gedenkveranstaltungen für dieses Wochenende bislang nicht bekannt.

Auch wenn das Thema Waffenrecht bislang nicht auf der Tagesordnung im Innenausschuss des Bundestages steht, dürfte es weiter für Diskussionen sorgen. Zuletzt hatte Faeser mit ihren Plänen für mehr Kontrollen und Vorschriften die Verbände der Jäger und Schützen gegen sich aufgebracht. Diese wiederum erhielten Unterstützung von der FDP.

Muss das Waffenrecht angepasst werden?

«Psychisch kranke Personen dürfen keine Schusswaffen besitzen. Es ist gut und richtig, dass das Waffenrecht dies schon heute unmissverständlich regelt», sagte der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Konstantin Kuhle, am Samstag der Deutschen Presse-Agentur. «Überhastete Forderungen nach gesetzgeberischen Konsequenzen» seien «nicht angezeigt». Der stellvertretende FDP-Parteivorsitzende Wolfgang Kubicki sagte dem Fernsehsender Welt: «Die natürliche Reaktion, zunächst alles verbieten zu wollen, verbietet sich. Das ist eine menschlich nachvollziehbare Reaktion, aber sie hilft im Zweifel nicht weiter.»

Bei der Tat am Donnerstag in Hamburg starben sieben Menschen und der Täter selbst. Acht weitere Menschen wurden verletzt, vier von ihnen lebensbedrohlich. Der 35 Jahre alte Philipp F. hatte mehr als 100 Mal mit einer halbautomatischen Pistole geschossen. Seit dem 12. Dezember sei er im legalen Besitz dieser Waffe gewesen, hatte Polizeipräsident Ralf Martin Meyer bei einer Pressekonferenz gesagt. Als Extremist war der Schütze nach Angaben aus Sicherheitskreisen nicht bekannt.

Das Motiv des Täters gibt weiter Rätsel auf

Nun stellen sich viele Fragen: Hätten Behörden (früher) reagieren müssen? Ist der Täter zu einfach an seine Waffe gekommen oder wurden anonyme Hinweise, der Mann sei psychisch auffällig, nicht ernst genommen? Wäre er womöglich einem Psychiater oder Psychologen aufgefallen? Über eine frühere Drogenauffälligkeit war ersten Erkenntnissen zufolge nichts bekannt. Es gebe keinen entsprechenden Eintrag bezüglich Drogendelikten, sagte ein Sprecher des bayerischen Innenministeriums. Zuvor hatte es Berichte über einen möglichen Drogenmissbrauch von Philipp F. in der Vergangenheit gegeben. Er stammt aus Memmingen in Bayern und war seit 2015 in Hamburg gemeldet.

Über das genaue Motiv von Philipp F. wird weiter gerätselt. Der anonyme Hinweisgeber habe die Waffenbehörde auf dessen «besondere Wut auf religiöse Anhänger, besonders gegenüber den Zeugen Jehovas» aufmerksam gemacht, wie Meyer am Freitag mitteilte. Im Internet gab Philipp F. einiges über sich und seine Gedankenwelt preis. Die Webseite des Täters zeigt etwa, dass er sich intensiv mit Gott und Jesus Christus auseinandersetzte und krude Thesen verbreitete.

Philipp F. war Sportschütze, hatte eine Waffenbesitzkarte und war erst kürzlich von der Waffenbehörde aufgesucht worden. Die Behörde hatte im Januar einen anonymen Hinweis auf eine mögliche psychische Erkrankung von Philipp F. erhalten. Dieser wurde Anfang Februar von zwei Beamten der Waffenbehörde unangekündigt aufgesucht.

Damals habe es keine relevanten Beanstandungen gegeben, die rechtlichen Möglichkeiten seien ausgeschöpft gewesen, sagte Meyer. Die gesamten Umstände hätten auch keinerlei Anhaltspunkte für die Beamten ergeben, «die auf eine psychische Erkrankung hätten hindeuten können». An diesem Punkt verschwand Philipp F. dann wieder vom Radar der Behörden, bis zu diesem Donnerstag, bis zu der Gewalttat, die Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) später als «das schlimmste Verbrechen in der jüngeren Geschichte unserer Stadt» bezeichnete.


Bildnachweis: © Daniel Bockwoldt/dpa
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