11. Februar 2024 / Weltnews

Eis der Antarktis kann rasant schwinden

Noch ist nicht klar, wie schnell und wie stark sich der Klimawandel in den Regionen der Antarktis auswirken wird. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt für einen Bereich, dass er verheerend schnell schwinden kann.

Bohr- und Wohnzelte einer Expedition am Skytrain Ice Rise in der Westantarktis.

Ein Beispiel aus der Vergangenheit verdeutlicht, wie plötzlich und dramatisch die mächtige Eiskappe der Antarktis bei Klimaänderungen schwinden kann: In weniger als 200 Jahren sei das westantarktische Eisschild an einer Stelle 450 Meter dünner geworden, berichtet ein Forschungsteam im Fachmagazin «Nature Geoscience». Das belege, dass nach dem Erreichen eines Kipppunkts Eis in der Antarktis sehr schnell schwinden könne.

Die Gruppe um Eric Wolff von der University of Cambridge (Großbritannien) hatte einen 651 Meter langen Eisbohrkern vom sogenannten Skytrain Ice Rise genutzt. Diese halbinselförmige Eiskuppel liegt im westantarktischen Ellsworthland. «Wir wollten wissen, was mit dem westantarktischen Eisschild am Ende der letzten Eiszeit passiert ist, als die Temperaturen auf der Erde anstiegen, wenn auch langsamer als bei der derzeitigen menschengemachten Erwärmung», erklärte Mitautorin Isobel Rowell vom British Antarctic Survey in Cambridge.

Das Eisschild besteht aus Schichten, die sich durch Schneefall bildeten und über die Jahrtausende verdichteten. In jeder Eisschicht sind Blasen aus alter Luft und damals eingetragene Substanzen eingeschlossen. Analysiert wurde nun das Verhältnis bestimmter Moleküle im Eis, das Vorkommen bestimmter Substanzen sowie der Luftdruck innerhalb von Blasen im Eis. Auf diese Weise konnten die Geschehnisse vor vielen Tausend Jahren rekonstruiert werden.

«Sobald das Eis dünner wurde, schrumpfte es sehr schnell»

Die Kuppel verlor demnach nach Ende der letzten Eiszeit vor etwa 8200 Jahren binnen nur 176 Jahren etwa 450 Höhenmeter an Eis. Im Durchschnitt schwand die Eismasse also um gut 2,5 Meter jährlich.

Der Skytrain Ice Rise liegt am Rand des Ronne-Eisschelfs, bei dem das Grundgestein unterhalb des Meeresspiegels liegt. Während der letzten Eiszeit war das Schelfeis bis zum Grund durchgefroren. Als nach der Eiszeit Luft und Meer wärmer wurden, unterspülte das Meer Teile des Eisschelfs, so die Vermutung der Forschenden. Das Eis schwamm nun auf dem Wasser und der Widerstand gegenüber dem Gletschereis, das von der Eiskuppel nach unten drückte, ließ nach. «Sobald das Eis dünner wurde, schrumpfte es sehr schnell», erklärte Wolff. «Das war eindeutig ein Kipppunkt - ein außer Kontrolle geratener Prozess.»

Forscher: Kipppunkt könnte überschritten werden

Zudem fanden die Wissenschaftler heraus, dass vor 7700 bis 7300 Jahren der Anteil an Natrium - das aus dem Salz in Meeresgischt stammt - im Eis allmählich zunahm. Unter Einbeziehung früherer Studien folgerten sie, dass in dieser Zeit das Meer etwa 270 Kilometer näher an die Eiskuppel rückte, weil das Schelfeis zurückging.

Insgesamt untermauern die neuen Messdaten dem Team um Wolff zufolge, dass Eisverluste in der Antarktis verhältnismäßig schnell vonstattengehen können. Wissenschaftler befürchten, dass die aktuelle Erderwärmung Teile des westantarktischen Eisschildes destabilisieren könnten, so dass ein Kipppunkt überschritten und ein Zusammenbruch ausgelöst werden könnte. «Dieses Szenario existiert nicht nur in unseren Modellvorhersagen und es könnte erneut passieren, wenn Teile dieser Eisdecke instabil werden», so Wolff.

Der westantarktische Eisschild gilt als besonders gefährdet, weil ein großer Teil auf Felsen liegt, die unter dem Meeresspiegel liegen. Er ist wesentlich kleiner als die Ostantarktis, deren Eis als stabiler gilt. Insgesamt enthalten die antarktischen Eisschilde den Forschenden zufolge genug Süßwasser, um den globalen Meeresspiegel um etwa 57 Meter anzuheben.


Bildnachweis: © Eric Wolff/dpa
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