26. März 2024 / Weltnews

Fachverband fordert mehr Cannabis-Aufklärung für junge Leute

Fachleute aus der Medizin warnen weiter vor Risiken des Cannabiskonsums - vor allem für junge Erwachsene. Es fehle bisher an ausreichender Prävention. Auch die Forschung über die Folgen komme zu kurz.

Das neue Gesetz erlaubt Volljährigen in Deutschland ab dem 1. April den Konsum von Cannabis.

Angesichts der kontrollierten Freigabe von Cannabis ab Ostermontag fordern Fachleute deutlich mehr Präventionskampagnen für Jugendliche und junge Erwachsene.

«Mir kommt es ein bisschen weltfremd vor, zu glauben, dass 18 Jahre eine magische Grenze ist», sagt die Psychiaterin Euphrosyne Gouzoulis-Mayfrank als künftige Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie (DGPPN). «Teenager kommen nun wahrscheinlich leichter an Cannabis als früher, auch wenn es für sie offiziell verboten bleibt.»

Die Ärztliche Direktorin der LVR-Klinik in Köln sorgt sich, dass es so schnell gar nicht möglich sein wird, weitere Kampagnen aufzusetzen - «weder von der Zeit noch von der Finanzierung her». Problemfelder bleiben für sie darüber hinaus Cannabis im Straßenverkehr sowie Vergiftungen bei Kleinkindern, die sorglos zu Hause aufbewahrte Rauschmittel versehentlich essen könnten. «Dazu gibt es bereits Beobachtungen aus anderen Ländern.»

Der Bundesrat hatte am 22. März dem neuen Cannabisgesetz der Ampel-Koalition zugestimmt. Damit gilt es ab Ostermontag (1. April). Nach 40 Jahren wird Cannabis im Betäubungsmittelgesetz damit von der Liste der verbotenen Stoffe gestrichen. Der Umgang bleibt dann zwar auch künftig grundsätzlich verboten - aber mit genau definierten Ausnahmen für Volljährige. Das betrifft den Besitz bestimmter Mengen wie zum Beispiel 25 Gramm zum Eigenkonsum in der Öffentlichkeit, den Besitz von drei Pflanzen zur privaten Zucht sowie den geregelten Anbau und die Weitergabe des Rauschmittels in speziellen Vereinen.

Medizinische Fachverbände wie die DGPPN hatten die Teil-Legalisierung bis zur endgültigen Verabschiedung des Gesetzes kritisiert, darunter vor allem eine aus ihrer Sicht zu niedrige Altersgrenze von 18 Jahren, zu hohe Abgabemengen und zu wenig staatliche Kontrolle. Der Hauptgrund: Bis zum Alter von 25 Jahren reift das Gehirn. Kommt in dieser Zeit zu viel Cannabis von außen hinzu, kann das lebenslange Folgen wie zum Beispiel Psychosen haben.

Mehr Aufklärungskampagnen gefordert

Vielen Ärztinnen und Ärzten fehlt es mit dem Start des Gesetzes an Initiativen für mehr Aufklärung und Prävention über Cannabis-Risiken - ähnlich den großen und erfolgreichen Kampagnen geben Alkoholmissbrauch und HIV-Übertragung. 

Die Homepage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) sei bei Cannabis sicher gut, aber sie reiche nicht aus, betonte Gouzoulis-Mayfrank. Auch die Kampagne des Bundesgesundheitsministeriums sei gut. «Aber das ist insgesamt wenig. Wir müssen in die Schulen, auch in die Berufsschulen gehen. Man muss Lehrerinnen und Lehrer schulen. Es müssen spielerische und humorvolle Präventionskampagnen in sozialen Medien platziert werden, also Posts, die junge Leute gern teilen.» Der Tenor sollte sein: Ja, es ist jetzt legal, aber es ist nicht ungefährlich. «Da gibt es Parallelen zum Alkohol. Der ist auch nicht verboten, aber eben auch nicht harmlos», ergänzte die Expertin.  Neben Alkohol müsse es auch um Cannabis am Steuer gehen. 

Die 18-Jährigen, die nun kiffen dürften, müssten auch eine Verantwortung gegenüber Jüngeren lernen - «dass sie Cannabis eben nicht einfach so an Geschwister oder Freunde weitergeben», sagte die Ärztin. Der Cannabis-Konsum ist nach Angaben der BZgA in Deutschland vor allem bei jungen Erwachsenen gestiegen. Laut Befragungen hatte 2021 die Hälfte der 18-bis 25-Jährigen bereits Cannabis-Konsumerfahrung - das sei der höchste von der BZgA erhobene Wert seit 1973.

«Ich denke, dass vor allem Erwachsene, die schon Erfahrungen mit Cannabis haben, Mitglied in einem Anbauverein werden oder selbst die erlaubten drei Pflanzen züchten - und dazu viele Neugierige», mutmaßt Gouzoulis-Mayfrank. «Wir wissen jedoch nicht, wie sich der Konsum in Deutschland entwickeln wird. Das hängt von so vielen Faktoren ab, über die wir uns vielleicht noch gar nicht im Klaren sind.»

Erforschung des Cannabis-Konsums sollte intensiviert werden

Der Beobachtungszeitraum im Gesetz reicht aus Sicht der Expertin bisher nicht aus, um die Auswirkungen der Teil-Legalisierung von Cannabis in der Gesellschaft zu studieren. «Da würden wir appellieren, dass Folgen und Konsequenzen mehr als vier Jahre lang erforscht werden», ergänzte sie. Es gebe bereits repräsentative Erhebungen zum Ausmaß des Cannabis-Konsums in Deutschland. Jüngst war das zum Beispiel nach Angaben des Bundesministeriums für Gesundheit im Jahr 2022 eine Zahl von rund 4,5 Millionen Erwachsenen, die Cannabis wenigstens einmal probiert hatten - am häufigsten im Alter zwischen 18 bis 24 Jahren. 

«Diese Befragungen müsste man viel engmaschiger fortführen», schlug die DGPPN-Expertin vor. «Dabei sollte es nicht allein um das Kiffen an sich gehen, sondern auch um selbst erlebte Probleme damit.» Das können kurzfristig Angst, Panikgefühle, Orientierungslosigkeit, depressive Verstimmungen, Herzrasen, Übelkeit und Halluzinationen sein. Langfristig können die Risiken vor allem für häufig kiffende Heranwachsende aber weitaus bedrohlicher aussehen: bis hin zu Psychosen und Schizophrenie. 

«Es ist grundsätzlich ein mögliches Szenario, dass nun auch Menschen mit chronischen Schmerzen sich über eine Mitgliedschaft in einem Anbauverein Cannabis besorgen. Wir werden sehen, ob das eine nennenswerte Zahl ist - und wie es ihnen damit geht», ergänzte die Psychiaterin. Regelmäßige Erhebungen zur Häufigkeit bestimmter Erkrankungen wie Psychosen, die mit Cannabis-Konsum zusammenhängen können, seien mit dem Start des Gesetzes besonders wichtig. «Das alles müsste aber ganz rasch beginnen», sagte Gouzoulis-Mayfrank. 

Cannabis ist eine psychoaktive Substanz aus der Hanfpflanze, die abhängig machen kann - ob als Joint, Haschkeks oder anders verpackt. «Riskanter Konsum lässt sich nicht pauschal festmachen», sagt Stephanie Eckhardt, Expertin bei der BZgA.  Es gebe Faktoren, die zusammenspielten - darunter wie oft Cannabis genutzt werde, wie viel davon und wie hoch der THC-Gehalt sei, also die Konzentration des Rauschmittels Tetrahydrocannabinol. 


Bildnachweis: © Karl-Josef Hildenbrand/dpa
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