3. Mai 2022 / Weltnews

Boris Becker sitzt in einem üblen Uralt-Gefängnis

Das erste Wochenende hinter Gittern hat Boris Becker hinter sich. Seit Freitag sitzt der verurteilte Ex-Tennisstar im Londoner Wandsworth-Gefängnis - und das ist nicht gerade als heimelig bekannt.

Boris Becker ist in London in einem üblen Knast gelandet.

Gerade einmal fünf Kilometer trennen den Platz, auf dem Boris Becker seine größten Erfolge feierte, von jenem seiner größten Niederlage.

Das viktorianische Wandsworth-Gefängnis, in das der verurteilte Ex-Tennisprofi am Freitag per Sicherheitstransport gebracht wurde, nachdem er zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt worden war, liegt im Süden von London - genau wie der Centre Court von Wimbledon. Es sind zwei Schicksalsorte im Leben von Becker, die unterschiedlicher kaum sein könnten.

In Wimbledon wird üblicherweise Eton Mess - ein Hauch von Erdbeeren mit edler Crème double - gereicht. In Wandsworth ist schlichtere Kost angesagt. Geht es um «Wanno», wie das Gefängnis der hohen Sicherheitskategorie B von seinen Insassen genannt wird, fallen schnell die Worte Drogen, Gewalt und Ratten.

Es wimmelt von Mäusen und Ratten

Seit einigen Tagen ist Beckers nun vorläufig dort untergebracht, wie sein Anwalt Giles Bark-Jones der Deutschen Presse-Agentur bestätigte. Das Gefängnis selbst verwies auf dpa-Anfrage auf das Justizministerium, das zu Becker und den Haftumständen aber nichts sagt.

Charles Taylor, der Oberinspektor für britische Gefängnisse, schrieb in einem im Januar veröffentlichten Bericht nach einer ausführlichen Bestandsaufnahme der Zustände von einem «bröckelnden, überfüllten, von Ungeziefer verseuchten Gefängnis». Es wimmele von Mäusen und Ratten. Essensreste würden achtlos aus den Zellen geworfen, Gewalt sei an der Tagesordnung - mit steigender Tendenz.

Mehr als die Hälfte der befragten Insassen gab an, sich während ihrer Haft unsicher gefühlt zu haben. Weil das Gefängnis so überfüllt sei, müssten sich die Häftlinge immer wieder entscheiden, ob sie sich lieber bewegen, duschen oder eine Bestellung am Kiosk aufgeben, hielt Taylor fest. Oft verbrächten sie 22 Stunden am Tag in ihrer Zelle, manchmal wochenlang ohne Zugang zu frischer Luft und Tageslicht.

Der Dandy Oscar Wilde saß auch in Wandsworth

Mit 1364 Insassen galt Wandsworth, das einst den aufgrund seiner Homosexualität eingesperrten Schriftsteller Oscar Wilde beherbergte, im vergangenen September als eines der überfülltesten Gefängnisse Englands. Drei Viertel der Insassen sollen zu zweit Zellen bewohnen, die eigentlich nur für eine Person vorgesehen sind.

Der Journalist und Ex-Häftling Chris Atkins, der mehrere Jahre in dem gefürchteten Gefängnis verbracht hat, erinnert sich in seinem Buch, aus dem die «Mail on Sunday» Auszüge veröffentlichte, an die Geräuschkulisse, die sich in seinem Gedächtnis eingebrannt habe. «Rufen, hämmern, schreien, grunzen, bellen, drohen, schimpfen, lachen, jammern, streiten, kämpfen, heulen, weinen», zählt Atkins auf. «Es klingt, als hätte jemand jeden einzelnen Soundeffekt heruntergeladen und würde sie alle auf einmal abspielen.»

Becker wird die Hälfte der Strafe absitzen müssen

Einziger Trost für Becker: «Ich rechne nicht damit, dass er lange in Wandsworth bleiben wird», sagte Anwalt Bark-Jones der dpa. Nach einigen Wochen werde er voraussichtlich in ein Gefängnis mit einer niedrigeren Sicherheitsstufe verlegt. Insgesamt soll die Tennis-Ikone mindestens die Hälfte seiner zweieinhalbjährigen Haft absitzen müssen. Theoretisch kann der 54-Jährige noch Einspruch gegen das Urteil einlegen. Die Erfolgsaussichten gelten jedoch als eher gering.

In Wandsworth sei es selbst für ihn als Anwalt schwierig, Zugang zu seinem Mandanten zu bekommen, berichtete Bark-Jones. «Das kann mehrere Tage dauern.» Für Angehörige dürften die Möglichkeiten noch begrenzter sein. Telefonieren aus der Zelle sei möglich. Aber: «Wärter können sich jederzeit in die Anrufe schalten - um Kriminalität vorzubeugen und Menschen zu schützen», wie es auf der offiziellen Seite von Her Majesty's Prison Wandsworth geschrieben steht.


Bildnachweis: © Frank Augstein/AP/dpa
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